Predigt zu 2.Kor 9,6-15 an Erntedank 2021
Lebe Gemeinde!
Den Kirchen, aber auch dem Staat geht das Geld aus – die Entwicklung ist nicht neu, aber sie wurde verschärft durch die Lockdowns und die anderen Gegenmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
„Fundraising“-Lehrgänge werden schon länger angeboten – also Kurse, in denen man lernt, wie man zu mehr Einnahmen für seine gute Sache kommt. Hier wird den Verantwortlichen großer Organisationen wie Vereinen oder eben auch der Kirche beigebracht, wie man Spenden "generiert", wie das heutzutage neudeutsch heißt.
Das Thema an sich ist alt – schon immer war es nicht so einfach, Menschen zum Spenden zu bewegen. Tatsächlich braucht man aber nur die Bibel aufzuschlagen, um beim Apostel Paulus nachzulesen, wie der erfolgreich Spenden zusammenbekam:
Paulus machte es sich nämlich zur Pflicht, für die Urgemeinde in Jerusalem Spenden zu sammeln auf seinen großen Reisen. Diese ersten Christen in Jerusalem waren tatsächlich mehrheitlich arme Menschen, die wirklich Unterstützung brauchten. Paulus sah es nun als seine Christenpflicht, sie zu unterstützen – mit Geldern aus den Gemeinden, die er nach und nachgegründet hatte.
Die ersten Christen in Jerusalem galten als besonders heilig: Denn unter ihnen hatte der Herr gewandelt und gelehrt, sie waren die ersten, die an ihn glaubten. Hier gab es die meisten Erinnerungen an sein Reden und Wirken. Deshalb wollte Paulus sie unbedingt unterstützen!
Unser Predigttext heute ist ein Abschnitt aus dem 2. uns bekannten Brief an die Korinther. Wahrscheinlich schrieb Paulus noch viel mehr Briefe an sie – aber nur zwei sind uns erhalten. Dank des hervorragenden römischen Postwesens funktionierte das auch, dass Paulus im gesamten östlichen Mittelmeerraum durch seine Briefe präsent war.
Es scheint nun aber auch damals nicht so einfach gewesen zu sein, Kollekten zu sammeln und Spenden einzutreiben. Denn Paulus wendet hier seine ganze theologische Kunstfertigkeit an, um die Korinther davon zu überzeugen, dass sie eine großzügige Kollekte für die Jerusalemer geben sollen.
Noch heute gehört es für uns Pfarrer ja zu den vornehmsten Aufgaben, immer wieder Spenden zu erbitten und zu sammeln. Das ist nicht immer leicht.
Ich erinnere mich daran, wie sich ein früherer Kollege sich bei mir beschwerte, dass die Einlagen bei den Hochzeiten und Taufen so niedrig seien, weil die kirchenfernen Gäste nicht mehr wüssten, dass man am Ausgang eine Kollekte gibt.
Ich fragte zurück, ob er denn darum bitte oder ob er sage, wofür die Kollekte ist? Er verneinte…
Unser Vorgehen in Reutti ist anders:
Ich bespreche immer mit den Taufeltern oder dem Hochzeitspaar, für welchen sinnvollen Zweck sie gerne die Kollekte sammeln würden und dann sagt im Idealfall z.B. die Braut dieses Kollektenziel selbst an. Natürlich wird dann auch gerne gegeben und es kommt jedes Mal einiges zusammen. Die Leute sind nämlich keineswegs geizig, sondern wollen einfach wissen, wofür ihr Geld bestimmt ist und müssen am Schluss des Gottesdienstes eben noch mal freundlich erinnert werden.
Paulus kann nun keine persönlichen Gespräche mit den potentiellen Spendern führen wie wir Pfarrer und Pfarrerinnen heute. Er muss es im Brief anders machen – er muss die Kollekte theologisch begründen. Und das tut er und er macht das sehr geschickt und theologisch tiefgründig!
Paulus schreibt: 6Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. 7Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 8Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; 9wie geschrieben steht (Ps 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« 10Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. 11So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. 12Denn der Dienst dieser Sammlung füllt nicht allein aus, woran es den Heiligen mangelt, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. 13Um dieses treuen Dienstes willen preisen sie Gott für euren Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und für die Lauterkeit eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. 14Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. 15Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!
Beim ersten Mal hören ist es schwer zu entdecken – aber tatsächlich bietet Paulus den Korinthern – und damit natürlich auch uns – genaugenommen sogar ein Teilen und Abgeben mit Hintergedanken an:
Erst einmal wird das Teilen und Abgeben von Paulus verglichen mit dem Ausstreuen von Samenkörnern. Je mehr ein Bauer Körner ausstreut und auf genügend großes Land verteilt, desto größer wird sein Ernteertrag sein, das wissen auch wir. Je mehr nun ein Mensch von dem, was er hat, seinen Mitmenschen abgibt, desto mehr wird er von Gott wiederum geschenkt bekommen.
Und natürlich geht es dabei nicht nur um Geld: Auch Zeit und Kraft gehören zu den Dingen, die wir unserem Nächsten abgeben können. Und auch dafür gilt, dass Gott es uns lohnen wird.
Es ist also streng genommen keine besonders ethisch herausragende Leistung, die da von uns verlangt wird. Nein, wir dürfen ruhig im dem Bewusstsein abgeben und teilen, dass Gott das auch sehen wird und uns dafür belohnen wird.
Allerdings, so berechnend, wie das jetzt anmutet, meint Paulus es wohl dann doch auch wieder nicht. Er hat eine gewisse Klausel eingebaut: Nämlich die innere Haltung, auf die kommt es an beim Geben: Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb, sagt er. Fröhlich und gerne sollen wir spenden und dem gespendeten Geld nicht hinterher trauern. Und wer Zeit mit dem kranken Nachbarn verbringt, soll nicht sauertöpfisch dreinschauen, wenn es länger dauert als geplant. Und wer einem anderen hilft, z.B. beim Hausbau oder im Garten, soll nicht jammern, wenn er hinterher k.o. ist. Oder wer ehrenamtlich aktiv ist, soll seine Kräfte so einteilen, dass es ihm noch Spaß macht und er oder sie sich gerne engagiert!
Wer also gerne gibt und gerne hilft und schenkt, der sät reichhaltig aus! Und Gott wird dafür sorgen, dass er am Ende sogar mehr bekommt als er für sich selbst braucht! Und dabei denkt auch Gott sicher nicht nur an Geld und Erfolg, sondern auch an die vielen anderen Dinge, die wir zum Leben brauchen wie Gesundheit, Zufriedenheit und Glück. Mit all diesen Dingen wird Gott es uns lohnen, wenn wir gerne freigiebig und großzügig sind.
Genau genommen macht Gott es ja sogar umgekehrt: Er belohnt uns schon, bevor wir helfen und schenken. Er schenkt uns so vieles schon, bevor wir überhaupt erst anfangen, über ein Weitergeben dieses Guten nachzudenken.
Und dennoch verspricht uns Gott, das Gute das wir tun, auch im Nachhinein noch einmal zu belohnen!
Unsere Mesnerin Carola Kast hat zu diesem Predigttext vor Jahren schon einmal eine Geschichte gefunden, die ich seither ganz stark mit diesem Text verbinde und die ich ihnen gerne vorlesen möchte – vielleicht erinnern sie sich sogar daran. Und vielleicht wollen Sie sie auch einmal weitererzählen:
Winston Churchill – der berühmte englische Premierminister – fiel als Kind einmal im Park seines Elternhauses in einen Teich. Der Gärtner des Vaters rettete den Jungen vor dem Ertrinken. Winston Churchills Vater wollte diese gute Tat belohnen. Und so bezahlte er dem Sohn des Gärtners, der ein begabter Junge war, die Ausbildung und das Medizinstudium.
Aus ihm wurde ein guter Mediziner und der bekannte Forscher Alexander Flemming. Der erfand das Penicillin – ein Antibiotikum gegen schwere Krankheiten, die bis dahin oft zum Tode geführt hatten. Durch diese Erfindung wurde der Sohn des Gärtners weltberühmt!
Als Winston Churchill später an einer schweren Lungenentzündung erkrankte, wurde er wiederum durch das Penicillin gerettet. So kamen die Guttaten der Väter auf die beiden Söhne zurück.
Soweit diese wahre Geschichte!
Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb – ich denke, diese beiden Väter haben seinerzeit fröhlich gesät – und hundertfach haben sie ernten dürfen.
Amen.