Gedanken zu Trinitatis 2020 von Pfr. Stefan Reichenbacher

An Pfingsten haben wir das Kommen des Hl. Geistes gefeiert. An Trinitatis wird dieser Geist nun eingeordnet und in Beziehung gesetzt zu Gott Vater und Gott Sohn. Er geht von beiden aus und steht für alles Gute, für alle Kraft, für alle Ideen, die wir mit Gottes Hilfe haben und vollbringen können.

Das Trinitatisfest ist somit das Fest, an dem wir Gott in seiner Vollkommenheit zu begreifen versuchen – was wir Menschen natürlich niemals wirklich können. Aber diese Vorstellung von dem „dreieinigen Gott“ will uns helfen, uns diesem einen Gott, der uns als Vater, Sohn und Hl. Geist begegnet und mit uns in Beziehung treten will, anzunähern.

Vielleicht kennen Sie das Bild vom dreiseitigen Dreieck mit einem Auge in der Mitte. Von den drei Seiten gehen Strahlen ab zum Zeichen, dass dieser eine Gott quasi drei Seiten hat, von denen aus er mit uns Beziehung sucht.

Dreifaltigkeit
Bildrechte Hanno Gutmann

Unser christlicher Glaube ist von der Vorstellung eines „dreieinigen Gottes“ durch und durch geprägt:

Wir taufen auf den Namen des dreieinigen Gottes, indem wir sprechen: Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Wir beginnen auch den Gottesdienst „Im Namen des Vaters und des Sohnes und der Hl. Geistes“ – wir stellen uns damit bei unserem Beten und Singen, Reden und Schweigen ganz bewusst unter die Herrschaft dieses Dreieinigen Gottes.

Häufig wird der Gottesdienst auch mit einem trinitarischen Segen beendet: „So segne dich Gott, der Allmächtige und Barmherzige, der Vater und der Sohn und der Hl. Geist“. So ist es z.B. im katholischen Gottesdienst sehr üblich.

In der evangelischen Kirche hat sich dagegen ein spezieller, nichttrinitarischer Segen durchgesetzt, der sog. Aaronitische Segen:

„Der Herr segne dich und behüte dich,

er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,

er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!“

 

Lesen Sie bitte aus 4. Buch Mose 6,22-27

Mose hat das Volk Israel aus Ägypten in die Freiheit geführt. Anschließend wandern sie durch die Wüste und halten sich für längere Zeit am Fuße des Gottesberges auf. Hier bekommen sie die Gebote und viele weitere Anordnungen für das kultische und auch für das ganz praktische Leben.

Dazu gehört auch, dass Mose seinen älteren Bruder Aaron als ersten Priester Israels einführt. Und dessen erster Auftrag ist, das Volk zu segnen – mit ebendiesen Worten. Von nun an soll dieser Segen durch den Mund aller Priester dem Volk verkündigt werden!

Bis heute wird der Segensspruch von jüdischen Priestern stehend der betenden Menge zugewandt mit ausgebreiteten Händen zugesprochen. Und bei der Shabbatfeier in den Familien wird der Aaronitische Segen vom Vater über jedes Kind gesprochen.

Diese alte israelitische Tradition des Aaronitischen Segens wurde von den Christen aufgenommen, insbesondere von den Lutheranern. Wir haben somit eine ganz wunderbare Gemeinschaft mit unseren jüdischen Glaubensgeschwistern.

 

Es wäre nun unangemessen, einfach die Dreiteilung des Segens einfach auf Gott Vater, Sohn und Hl. Geist zu übertragen und zu sagen: 1. Zeile Gott Vater, 2. Zeile Gott Sohn, 3. Zeile Gott Hl. Geist. Das wäre eine Vereinnahmung, wogegen sich Juden zu Recht wehren würden.

Aber in der 1. Zeile können wir Gott als den entdecken, dem wir alles verdanken, der uns segnet, uns mit allem beschenkt und uns bewahrt – also das tut, was wir dem Vater und dem Geist zuordnen würden.

Der Herr segne dich und behüte dich;

 

In der 2. Zeile können wir Gott als den entdecken, der uns gnädig ist und der uns sein Gesicht freundlich und gnädig zuwendet – das abgewandte Gesicht Gottes gilt im Alten Testament als Strafe bis hin zum Tod. Wenn aber Gott Gesicht zeigt, dann zeigt er Interesse an uns und erkennt unsere Bedürfnisse – dies alles würden wohl dem Vater und dem Sohn zuordnen.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;

 

In der 3. Zeile schließlich können wir Gott als den entdecken, der über uns wacht, uns schützt und bewahrt und alles dafür tut, dass es uns gut geht, dass wir Shalom haben: Glück, genug zu essen und trinken, Wohlstand, Gesundheit, Zufriedenheit, Frieden; das alles meint Shalom – diese Dinge können wir sicher allen drei Personen Gottes zuordnen.

Der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

 

So können wir also alle drei Wesen Gottes und alle Arten von Beziehung, die er zu uns aufbaut, tatsächlich in diesem Aaronitischen Segen entdecken, auch wenn wir ihn nicht als „trinitarisch“ bezeichnen sollten.

Das Ziel dieses dreigliedrigen Segens aber ist der Shalom – ausgerechnet in der lebensfeindlichen Wüste wird Aaron dazu aufgefordert, ihn zu sprechen. Ausgerechnet dort soll er verkünden, dass Gott das Volk freundlich ansieht, segnet und ihm Shalom schenken möge.

Auch wir haben in unserer christlichen Tradition besondere Segnungen an bestimmten Momenten unseres Lebens – in Zeiten von Unsicherheit oder beim Eintritt in eine neue Lebensphase.

Wir kennen die Segnung der Kindergartenkinder zum Abschied der Kindergartenzeit, wir segnen die Kinder zum Schulanfang und ebenso, wenn sie die Grundschule wieder verlassen. Wir segnen die Konfirmanden, was traditionell „Einsegnung“ genannt wird, wir kennen empfangen den Trausegen vor dem Traualtar zu Beginn der Ehe. Und schließlich werden zuletzt „ausgesegnet“ – zum Abschied vom diesseitigen Leben und zum Übergang ins jenseitige Leben.

 

Gottes Wille, uns segnen zu wollen, uns freundlich anzusehen, uns sein Gesicht zu zeigen und uns seinen Shalom zu schenken – dieser Wille gilt auch uns. Und er gilt uns ganz besonders in Krisenzeiten und sogar dann, wenn wir nicht Gesicht zeigen dürfen oder sollen. Gottes Angesicht blickt uns dennoch freundlich entgegen.

Und was wir tun können – selbst wenn wir selbst kein Gesicht zeigen dürfen oder wenn wir selbst nicht helfen können – wir können Gottes Blick auf jemanden lenken. Wir können Fürbitte tun, wir können Gott bitten, auf Menschen ganz besonders zu schauen und sie zu segnen, die es besonders schwer haben.

Und dann wird Gottes Angesicht leuchten über diesem Menschen und ihm gnädig sein.

Amen.