Predigt zum Toten u. Ewigkeitssonntag von Prädikantin Anita Kämmer-Frey

Liebe Gemeinde!

 

Unser Predigttext für heute steht in der Offenbarung des Johannes im 21. Kapitel. Teile dieses Predigt­textes werden gerne bei Beerdigungen verwendet. Sie gehören zu den Lesungen, die Hoffnung schenken, auf das ewige Leben für die Verstorbenen und Hoffnung auf den Trost Gottes für die Hinterbliebenen. 

 

Lange Zeit wurde die Offenbarung als Buch ver­standen, in dem Geheimnisse über die Zukunft her­aus­zulesen wäre. Tatsächlich nehmen die - für uns heute schwer verständlichen  Visionen, einen breiten Raum in der Offenbarung des Johannes ein.

Die wesentliche Botschaft der Offenbarung aber ist eine ganz andere: Der Seher Johannes, der übrigens nichts mit dem Johannes, der das Evangelium verfasst hat, zu tun hat, schreibt einen Trostbrief. Er schreibt ihn in einer für uns heute schwer ver­ständlichen Sprache und einem fremdem Stil. Aber es sind tröstende Worte an sieben Gemeinden, mit denen er in besonderer Weise verbunden ist.

Diese Gemeinden liegen alle in Kleinasien, der heutigen Türkei. Sie leiden darunter, dass der römische Kaiser Domitian, der am Ende des 1. Jahrhunderts herrschte, Christen systematisch als Staatsfeinde verfolgen ließ. Johannes ermahnt nun die Gemeindeglieder zum Durchhalten und Treubleiben im christlichen Glauben und tröstet sie mit der Hoffnung: Wer trotz Verfolgungen und Ge­fahren am Glauben festhält, wird am Ende belohnt werden und wird alles ererben und Sohn bzw. Tochter Gottes sein.

So hat es Johannes in seinen Visionen erfahren und davon ist er überzeugt.

 

Wir heute hier in Deutschland haben – Gott sei Dank! – nicht das Problem, dass wir als Christen verfolgt werden. Wir werden zwar angegriffen von Menschen, die meinen, die Kirchen würden vom Staat zu sehr unterstützt, oder wir müssen wahrnehmen, dass die Zahl derer, die sich zu keiner Kirche mehr halten, stetig steigt. Aber verfolgt werden wir definitiv nicht.

Auch die Meinung, wir würden muslimisch unter­wandert, ist unangemessen – abgesehen von einigen gewaltbereiten Fundamentalisten - jedenfalls, solange wir selbst uns unsere eigene christlich geprägte Kultur bewahren, zu Ihr stehen und sie schätzen.

Wir können offen sein für andere, wenn wir unserer eigene Religion treu bleiben und sie bewusst leben.

Für Menschen, die selbst keinen religiösen Hinter­grund haben, können Muslime, die wissen, was sie glauben und was ihnen religiös wichtig ist, bedrohlich wirken.

 

Christen in anderen Ländern, speziell in bestimmten muslimischen Ländern, haben da ganz andere Probleme! Noch nie gab es so viele verfolgte Christen wie heute – auch nicht damals zur Zeit des Johannes.

 

Was uns allerdings geblieben ist bis heute, ist, dass auch wir immer wieder Grund zur Klage haben, dass wir Leid erleben müssen – an uns selbst oder an anderen – und dass wir uns mit dem Tod auseinandersetzen müssen. Hier bleiben die Worte des Sehers Johannes auch bei uns traurig aktuell.

Der Tod eines lieben Angehörigen ist auch bei uns meist mit vielen Tränen verbunden.

Das Leid vieler Kranker und Verletzter treibt uns um – sei es in unserer Familie und Verwandtschaft, aber auch, wenn wir von Schicksalsschlägen, Katas­trophen und Kriegen über die Medien erfahren.

Im Moment erleben wir die zweite Corona-Welle, die uns auch in Reutti noch stärker betrifft als die erste, wenngleich auch im Frühjahr schon Reuttier stark betroffen waren.

 

Krankheit, Leid und Schmerz wird es immer geben, solange die Erde steht. Aber der Seher Johannes offenbart, dass dies nicht das Letzte sein wird, das wir erfahren werden, auch wenn es uns hier in diesem Leben so erscheint. Es kommt noch etwas: Es kommt die Zeit nach dem irdischen Leben, dem Leben, wie wir es kennen.

 

Es kommt die Zeit, wo Gott uns ganz nahe sein wird – in einer anderen Weise, als er es uns heute schon ist. Es kommt die Zeit, in der er unter uns wohnt. Seine Hütte wird er aufstellen mitten unter den Hütten und Häusern der Menschen. Und er wird abwischen alle Tränen und es wird keinen Grund mehr geben zu weinen, weil es Leid, Schmerz, Krankheit und Tod nicht mehr geben wird.

 

Und Johannes sieht die heilige Stadt Jerusalem vom Himmel herab kommen, festlich geschmückt wie eine Braut für ihren Bräutigam.

Im Kirchenbau wurde immer wieder versucht, dieses himmlische, festlich geschmückte Jerusalem darzu­stellen. Der Kronleuchter in vielen Kirchen ist der Versuch, das himmlische, von oben herabkommende, herrlich geschmückte Jeru­sa­lem­ darzustellen.

 

Hätten wir nun allerdings nur diesen einen biblischen Text als Trosttext zum Thema Leid und Tod, hätten die­jenigen Recht, die z.B. in der Zeit des aufblühenden Kommunismus, die christlichen Lehren als Opium fürs Volk bezeichnet haben. Ihr Vorwurf war, das Christentum würde nur aufs Jenseits vertrösten und die Leute im Hier und Jetzt allein lassen mit ihrem Leid, ihren Sorgen und Nöten.

 

Aber diese Kritiker haben die Bibel nicht genau ge­le­sen. Immer wieder können wir Stellen finden, in denen davon geredet wird, wie Gott mitgeht, wie er mitleidet, mittrauert mit seinem Volk. So erfahren wir es vor allem im Alten Testament.

Im Neuen Testament wendet sich Gott noch mehr dem einzelnen Menschen zu vor allem in der Gestalt seines Sohnes Jesus Chris­tus: Vom Leid der trauernden Mutter aus Nain, die um ihren verstorbenen Sohn weint, lässt sich Jesus so anrühren, dass er selbst weinen muss. Kurzer­hand schenkt er diesem das Leben zurück und zeigt dem Tod, wer mächtiger ist. – Auf unserer Gedächtnistafel für den 2. Weltkrieg ist diese Geschichte im Relief dar­gestellt. 

 

Gott nimmt Anteil an unserem menschlichen Schick­sal, deshalb ist er an Weihnachten selbst herabgekommen, ist selbst Mensch geworden.

Er kennt mensch­liches Leid und menschlichen Schmerz - und er kennt den Tod und auch die Angst davor, weil er sie selbst erlebt hat im Garten Gethsemane, vor seinem Tod am Kreuz.

Wir haben keinen fernen Gott im Himmel, der uns nur auf das Jenseits vertröstet. Wir haben einen Gott, der mit uns geht, ja uns trägt durch das Leben schon in dieser Welt – und somit durch Leid und Schmerz wie auch durch Glück und Freude.

 

Die Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde und eines Gottes, der unter den Menschen wohnt, will uns nun nicht nur Trost sein, sondern auch Ziel. Ganz zu Recht steht die Offenbarung am Ende der Bibel. Und die Sätze unseres Predigttextes leiten die beiden Schlusskapitel ein, in denen der Seher fast jubelnd den Sieg Gottes über das Böse, das Ende allen Leides und des Todes beschreibt.

Darauf bewegt sich auch unser menschliches Leben und das Dasein der gesamten Schöpfung zu. Auf das Neuwerden, auf die Neuschöpfung am Ende aller Zeiten. Denn Gott ist Anfang und Ende, das A und O, das Alpha und Omega, erster und letzter Buchstabe im griechischen Alphabet.

Gott, der am Anfang alles geschaffen hat, hat auch die Macht über das irdische Ende zu bestimmen und wie es danach weitergeht.

Er verheißt uns seine immerwährende Gemeinschaft

Er will dem Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers geben und - wir sollen seine Kinder sein!

 

Das alles dürfen wir durch diese Offenbarung jetzt schon erfahren. Dieses Wissen soll uns stärken, uns trösten, Hoffnung und Lebensmut geben – auch und gerade - in trauriger Zeit.

 

Amen