Predigt zu Prediger 12,1-7 von Pfarrer Stefan Reichenbacher
Liebe Gemeinde!
Vorgestern sprach ich mit jugendlichen Mitarbeitenden darüber, wie wir zukünftig die Präparanden- und Konfirmandenarbeit gestalten sollen. Es ist ja so, dass wir zurzeit sehr kleine Jahrgänge haben. Heute wäre normalerweise die Präparandenvorstellung des neuen Jahrgangs – aber wir haben noch gar nicht begonnen. Es wären nämlich im Höchstfall nur 4! Das ist für eine Gruppe schon arg wenig.
Nicht zuletzt wegen dieser geringen Zahlen überlegen wir in unserer Region Ulmer Winkel, ob wir die Konfirmandenarbeit nicht übergemeindlich gestalten sollen: Auf die Kahle fahren wir schon seit drei Jahren sowieso zusammen mit den Gemeinden Elchingen und Steinheim. Warum nicht auch noch weitere Einheiten gemeinsam gestalten?
Auf der anderen Seite kam bei dem Gespräch heraus, dass es aber schon gut wäre, in einer ersten Phase doch erstmal in der eigenen Kirchengemeinde zu beginnen – um die eigene Kirche, die eigene Gemeinde, den eigenen Pfarrer, die eigenen Kirchenvorstandsmitglieder kennenzulernen.
Auf meine Frage: Welche Teile und Inhalte des Unterrichts, den sie erlebt haben, wir beibehalten sollten, kam erfreulicherweise ganz viel: Die Freizeiten, die Ausflüge, das Zelten, aber auch das Bibelquiz im Unterricht wurden genannt, nicht zu vergessen das ausführliche gemeinsame Frühstück am Samstagmorgen im Unterricht.
Auf die Frage, was wir vielleicht abschaffen sollten, kam der Vorschlag, den Lernstoff abzuschaffen und die Pflicht, zweimal im Monat einen Gottesdienst zu besuchen, speziell den am Sonntagmorgen, den, den wir gerade feiern.
Mich haben diese beiden Vorschläge nicht überrascht, aber sie geben mir zu denken. Es ist schwer, junge Menschen davon zu überzeugen, sich im jungen Alter bereits damit zu befassen, was den meisten Christen erst im fortgeschrittenen Alter wichtig ist:
Den Glauben zu reflektieren, über unsere Beziehung zu Gott nachzudenken, das in Gemeinschaft zu tun wir soeben im Gottesdienst. Oder eben auch bestimmte Texte, Liedverse, Psalmen zu lernen, die einem in bestimmten Situationen durch den Kopf schießen und helfen können, weil sie uns vom Schutz und Segen Gottes erzählen.
In der Bibel finden wir freilich genau solche Hinweise gerade an junge Menschen: Denkt jetzt daran, dass ihr alt werdet! Denkt jetzt daran, wie es am Ende des Lebens einmal sein wird…!
Es ist also ein altes Problem: Junge Menschen dazu zu bringen, sich mit dem Glauben und mit Gott zu beschäftigen, ist nicht so einfach.
Unser Predigttext steht im Buch des sog. Predigers, bei den Katholiken als „Kohelet“ bekannt. Es ist ein Mensch, der offenbar als Lehrer geachtet und geschätzt wurde. Er sammelte und verbreitete Weisheiten, die den Menschen zu einer klugen und besonnenen Lebensweise verhelfen sollten.
Ich lese aus dem 12. Kapitel in der Übersetzung der sog. Basisbibel:
Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat!
Denk an ihn in deiner Jugend,
bevor die Tage kommen,
die so beschwerlich sind!
Denn wenn du alt geworden bist,
kommen die Jahre, die dir gar nicht gefallen werden.
Dann wird sich die Sonne verfinstern,
das Licht von Mond und Sternen schwinden.
Dann werden die dunklen Wolken aufziehen,
wie sie nach jedem Regen wiederkehren.
Wenn der Mensch alt geworden ist,
zittern die Wächter des Hauses
und krümmen sich die starken Männer.
Die Müllerinnen stellen die Arbeit ein,
weil nur noch wenige übrig geblieben sind.
Die Frauen, die durch die Fenster schauen,
erkennen nur noch dunkle Schatten.
Die beiden Türen, die zur Straße führen,
werden auch schon geschlossen.
Und das Geräusch der Mühle wird leiser,
bis es in Vogelgezwitscher übergeht
und der Gesang bald ganz verstummt.
Wenn der Weg ansteigt, fürchtet man sich.
Jedes Hindernis unterwegs bereitet Schrecken.
Wenn schließlich der Mandelbaum blüht,
die Heuschrecke sich hinschleppt
und die Frucht der Kaper aufplatzt:
Dann geht der Mensch in sein ewiges Haus
und auf der Straße stimmt man die Totenklage an.
Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat,
bevor die silberne Schnur zerreißt
und die goldene Schale zerbricht –
bevor der Krug am Brunnen zerschellt
und das Schöpfrad in den Schacht stürzt.
Dann kehrt der Staub zur Erde zurück,
aus dem der Mensch gemacht ist.
Und der Lebensatem kehrt zu Gott zurück,
der ihn gegeben hat.
In vielen Bildern wird hier über das Altern des Menschen gesprochen. Es sind für uns ungewöhnliche Bilder, die wir nicht verstehen. Deshalb zuerst eine kleine Übersetzungshilfe:
Wenn der Mensch alt geworden ist,
zittern die Wächter des Hauses –
das sind die Hände des alten Menschen -
und krümmen sich die starken Männer –
das sind die Beine
Die Müllerinnen stellen die Arbeit ein,
weil nur noch wenige übrig geblieben sind -
das sind die Zähne, von denen der alte Mensch nur noch wenige hat.
Die Frauen, die durch die Fenster schauen,
erkennen nur noch dunkle Schatten –
das sind die Augen, die immer schwächer werden.
Die beiden Türen, die zur Straße führen,
werden auch schon geschlossen –
das sind die Ohren: der Mensch hört immer schlechter.
Und das Geräusch der Mühle wird leiser,
bis es in Vogelgezwitscher übergeht
und der Gesang bald ganz verstummt.
Die Stimme wird leise, sie wird hoch und krächzend
und es fällt immer schwerer, die richtigen Worte zu finden.
Wenn der Weg ansteigt, fürchtet man sich.
Jedes Hindernis unterwegs bereitet Schrecken.
Das ist jetzt mal kein Bild, sondern einfach die Situation für gebrechliche Alte,
wenn es bergauf oder auf unebenes Gelände geht.
Wenn schließlich der Mandelbaum blüht,
ein besonders hübsches Bild für das weiße Haar des alten Menschen,
durch das die rote Kopfhaut schimmert.
die Heuschrecke sich hinschleppt,
die Heuschrecke steht für Gefräßigkeit –
wenn sie sich nur noch dahinschleppen kann,
dann bedeutet das, dass der Mensch keinen Appetit mehr hat.
und die Frucht der Kaper aufplatzt:
eine aufgeplatzte Kaper wirkt nicht mehr – die Kaper galt als Aphrodisiakum –
der Mensch empfindet also keine sexuelle Lust mehr
bzw. hat zu überhaupt nichts mehr groß Lust.
Wenn das alles zutrifft, dann gilt der letzte Satz dieser Beschreibung des menschlichen Alterns:
Dann geht der Mensch in sein ewiges Haus
und auf der Straße stimmt man die Totenklage an.
Was also tun?
Der Prediger rät:
Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat,
bevor die silberne Schnur zerreißt
und die goldene Schale zerbricht,
Die silberne Schnur ist der Lebensfaden des Menschen
und die goldene Schale sein Körper bzw. sein Leben überhaupt
bevor der Krug am Brunnen zerschellt
und das Schöpfrad in den Schacht stürzt.
Mit dem Krug ist wohl das Herz gemeint
und mit dem Schöpfrad die Lunge.
Wir sollen also an Gott denken, bevor das alles passiert, bevor wir sterben. Das Sterben selbst aber beschreibt der Prediger mit den Worten:
Dann kehrt der Staub zur Erde zurück,
aus dem der Mensch gemacht ist.
Und der Lebensatem kehrt zu Gott zurück,
der ihn gegeben hat.
Der Staub steht für das Vergängliche des menschlichen Leibes,
der Lebensatem für das Unvergängliche, den Geist, die Seele.
Die kehrt zu Gott zurück, von der sie einst ausging.
Jetzt wird die Mahnung des Predigers zu Beginn dieses kleinen Textes über das Sterben und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens verständlicher:
Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat!
Denk an ihn in deiner Jugend,
bevor die Tage kommen,
die so beschwerlich sind!
Denn wenn du alt geworden bist,
kommen die Jahre, die dir gar nicht gefallen werden.
Dann wird sich die Sonne verfinstern, das Licht von Mond und Sternen schwinden.
Dann werden die dunklen Wolken aufziehen...
Wir sollen also in den Tagen unserer Jugend bereits an Gott denken, denn das Alter und seine Beschwernisse werden kommen.
Aber warum rät uns der Prediger das?
Was bringt uns das Denken an Gott für diese Beschwernisse des Alters? Wieso ermahnt er hier die Jüngeren, an Gott zu denken?
Seine Bilder übers Altwerden und das Sterben allein beantworten diese Frage eigentlich nicht.
Mir scheint, das entscheidende Schlüsselwort dieser Ermahnung ist das „an Gott denken“. Damit will der Prediger viel mehr ausdrücken als nur, an Gott zu denken.
Ich würde übersetzen: Im Bewusstsein meiner Beziehung zu Gott zu leben. Mir bewusst darüber zu sein, dass ich mein Leben von Gott habe und irgendwann auch wieder Gott zurückgeben muss, denn mein Atem ist göttlicher Atem, Odem, den er mir für die Zeit meines irdischen Daseins geschenkt hat, wie der Prediger betont.
Im Bewusstsein dieser Beziehung zu Gott zu leben, bedeutet auch, das Schöne und Gute, ja, das scheinbar Selbstverständliche dankbar aus Gottes Hand anzunehmen. Bewusst und dankbar das Schöne im Leben zu genießen, so lange ich es genießen kann.
An Gott denken bedeutet schließlich für mich, dass ich mir vor Augen halte, dass mein Leben von Beziehungen bestimmt ist: Von Beziehungen zu meinen Eltern und Geschwistern, vielleicht meinen eigenen Kindern, von Beziehungen zu meinen Freunden und Freundinnen, zu meinem Mann, meiner Frau – zu Menschen, die mein Leben mitbestimmen wie Gott mein Leben mitbestimmt.
Das alles bereits in jungen Jahren zu tun, das kann im Alter helfen. Erinnerungen an gute Zeiten, die wir dankbar erleben durften, tragen durch schwere Zeiten. Beziehungen, um die wir uns in guten Zeiten gekümmert haben, helfen uns, wenn wir auf andere Menschen angewiesen sind. Genauso ist es mit der Beziehung zu Gott: Wenn ich mich bereits in jungen Jahren darum kümmere, wird es im Alter leichter sein, sie lebendig zu halten.
Wie gut, wenn ein alter Mensch sagen kann, dass er seine Möglichkeiten, die ihm das Leben bot, genutzt hat. Nicht sagen zu müssen: Ach hätte ich doch dieses und jenes mal gemacht, mal ausprobiert… oder: Ach hätte ich dies oder jenes seinerzeit ernster genommen und mein Leben verändert…
Alt und lebenssatt werden in der Bibel die Menschen beschrieben, die gottwohlgefällig gelebt haben und mit einem hohen Alter gesegnet sterben durften: Alt und lebenssatt!
Und auch wem kein langes Leben beschert wird, auch wer bereits in jungen Jahren mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hat, wird sich leichter tun mit diesem Schicksal, wenn er oder sie auf ein Leben in Dankbarkeit gegenüber Gott für das bisherige Gute zurückblicken kann und wenn er oder sie in Beziehungen lebt, die dann helfen.
Der Prediger will davor warnen, erst dann, in der Notsituation, in Krankheit, im Alter damit zu beginnen, an Gott zu denken. Es ist dann zwar nicht zu spät – aber es ist viel schwerer. Auch die Beziehung zu Gott lebt von der Übung und der guten Gewohnheit.
Zu spät ist es nie, an Gott zu denken.
Aber das Leben wird reicher und schöner, wenn wir es bereits in jungen Jahren tun – und im Alter hilft es, mit dem Alter klar zu kommen.
Das nun unseren Konfis rüberzubringen, das ist nicht leicht. Aber es lohnt sich, auch für die, die sich an dieser Aufgabe beteiligen, für Erwachsene wie für jugendliche Mitarbeitende. Und da freu ich mich, dass wir schon immer einige Erwachsene und viele junge Menschen in unserer Gemeinde hatten und haben, die bereit sind und Lust haben, sich zu engagieren - für Konfis, aber auch für Kinder.
Das ist das Entscheidende, auch wenn der Lernstoff im Konfirmandenunterricht nicht so sehr gerne gelernt wird und auch der Gottesdienst am Sonntag in der Beliebtheit bei vielen noch nicht ganz oben steht...
Amen.