Pfingstpredigt zu 1.Kor. 2,12-16 von Pfr. Stefan Reichenbacher
Liebe Gemeinde!
Pfingsten ist ein schwieriges Fest.
Würden wir uns in die Ulmer Fußgängerzone stellen und eine Umfrage machen „Woran denken Sie bei ´Pfingsten`?“, dann würde vielleicht Pfingstferien, Heuschnupfen und Pfingstrose dabei herauskommen. Kaum jemand könnte die Geschichte erzählen, die wir an diesem Sonntag aus der Apostelgeschichte des Lukas hören... (Apostelgeschichte 2,1-21)
Pfingsten - ein schwieriges Fest.
Es gibt kaum Bräuche, die sich um Pfingsten ranken. Mir fällt gerade mal der Pfingstochse ein - der fetteste Ochse wird zu Pfingsten besonders geschmückt, wenn die Herden wieder auf die Weiden hinausgetrieben werden und manchmal hat das dann Auswirkung auf seine Lebenserwartung...
Besser sieht es bei den Symbolen aus: Das Feuer, die Feuerflamme auf den Köpfen der Jünger beim Pfingsterlebnis, die lässt sich darstellen. Unsere Paramente an Altar und Kanzel sind rot, klar!
Allerdings - es geht ja eigentlich nicht um Feuer bei Pfingsten, sondern um den Geist. Und dieser Geist kann mit der Feuerflamme nur sehr begrenzt dargestellt werden und die Feuerzungen sind ja nur der Versuch eines Vergleichs.
Der Geist wiederum wird normalerweise mit der Taube dargestellt - aber auch das ist nur ein Hilfssymbol, das eigentlich mit dem Geist nichts zu tun hat. Wir kennen es nur aus der Geschichte von der Taufe Jesu. Da heißt es: Der Geist Gottes lässt sich wie eine Taube auf Jesus nieder. Der Geist sieht also nicht wie eine Taube aus, sondern der Vorgang, wie der Geist auf Jesus kommt, wird mit der Landung einer Taube verglichen. Kein Wunder, dass in der Pfingstgeschichte die Taube gerade nicht vorkommt!
Pfingsten - ein schwieriges Fest.
Es hat keine eindeutigen Symbole, die das, was da passiert, wirklich angemessen deuten könnten. Es fehlt die knallharte Realität menschlichen Lebens wie am Karfreitag, es fehlt das unglaubliche, aber doch sehr reale Leere Grab und natürlich fehlen erst recht sämtliche romantischen Ausschmückungen, die wir aus den Weihnachtsgeschichten kennen.
Könnte das vielleicht in der Natur dieses Festes Pfingsten liegen?
Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Und es ist das Fest der Kirche, die durch diesen Heiligen Geist gegründet wurde und durch ihn erhalten wird bis in die heutige Zeit – als der Geburtstag der Kirche wie viele sagen.
Die liturgische Farbe dieses Festes ist rot - wie alle Feste der Kirche, z.B. die Konfirmation oder die Kirchweih. Rot wohl wegen dieser Feuerflammen.
Aber ist der Geist deshalb rot? Nein, natürlich nicht.
Der Geist Gottes ist unanschaulich. Er lässt sich nicht binden an Dinge oder festmachen an bestimmten Ritualen und Bräuchen. Es gehört zum Wesen des Geistes, unverfügbar zu sein und zu wirken, wann und wo er will – in Gottesdiensten, aber genauso auch in Büros, im Stall oder in der Küche. Die Reformatoren um Martin Luther haben deshalb formuliert: Der Geist weht, wann und wo er will.
Das war damals ausgesprochen forsch: Denn die damalige Lehre der Kirche lautete: Der Geist bindet sich an die Kirche. Und Kirche ist immer nur da, wo ein Priester wirkt.
Die Reformatoren haben den Hl. Geist sozusagen demokratisiert – befreit aus den Fesseln der Kirchenmauern. Der Geist kann auch außerhalb der Kirche wirken – außerhalb des Gottesdienstes, außerhalb der kirchlichen Institutionen, sogar außerhalb der Christenheit. Der Geist weht, wann und wo er will.
Wir können weder sagen: „Hier ist er oder da ist er“, noch können wir sagen: „Hier ist er nicht und da auch nicht!“
Und deshalb lässt er sich auch nicht an ein bestimmtes Symbol so ohne weiteres binden – schon gar nicht an eine Taube. Der Geist bleibt frei - und für uns ziemlich schwierig zu fassen – im doppelten Sinn des Wortes.
Hören wir den Predigttext, der da für heute vorgesehen ist. Es ist ein Abschnitt aus dem Brief des Paulus an die Korinther. Paulus spricht hier über die Wirkungen des Geistes und den rechten Umgang mit ihm.
lesen 1. Kor. 2,12-16
Paulus unterscheidet zwischen geistlichen und natürlichen Menschen: Geistliche Menschen sind alle, die getauft sind und in der Taufe von Gott den Hl. Geist geschenkt bekamen. Der soll von da an unser Leben bestimmen, uns lenken und leiten. Wir sagen auch: In der Taufe nimmt der Geist Gottes Wohnung in uns.
Selbstverständlich können wir den Geist in dieser Wohnung aber in die Speisekammer einsperren und ihn nicht zu Wort kommen lassen und nicht auf ihn hören. Dann verhalten wir uns allerdings so wie Menschen, die sich allein auf ihre natürlichen Fähigkeiten verlassen.
Diese sog. natürlichen Menschen, von denen Paulus auch spricht, verlassen sich ganz auf die Fähigkeiten, die wir von Natur aus mitbekommen haben – unabhängig von Glaube und Religion. Aber Paulus möchte die, die an Jesus glauben, als geistliche Menschen sehen – denn sonst verschleudern sie eine Gabe, die Gott ihnen geschenkt hat durch die Taufe.
Wie also können wir geistliche Menschen sein?
Wie können wir das leben?
Wie sieht das konkret aus?
Wir können z.B. in uns hineinhorchen, in Gebet und Meditation und dann von Gottes Geist erfahren, was er uns sagen will. Wir können das in der Stille in einem Gottesdienst erleben oder bei einem Spaziergang oder einer Wanderung in der Natur. Für manche ist deshalb z.B. ein Gebet oder ein Gottesdienst in der Art von Taizé hilfreich – da nimmt die Stille einen großen Raum ein und es wird nicht gepredigt.
Andere erleben den Geist in einem charismatisch geprägten Gottesdienst, wo sich die Menschen z.B. durch sog. Lobpreislieder systematisch in eine Stimmung bringen, in der sie dem Geist ganz viel Raum zur Entfaltung geben möchten.
Wieder andere fromme Menschen meditieren auf bestimmte Weise und versuchen ihren Herzschlag in Einklang mit bestimmten Worten und Ritualen zu bringen oder bestimmte sog. Herzensgebete in ihr alltägliches Leben zu integrieren.
Wir, in unserer evangelisch-lutherischen Tradition, glauben, dass der Geist insbesondere dann wirkt, wenn über Gottes Wort nachgedacht wird im Gespräch über die Bibel oder bei der Predigt oder beim Abendmahl. Wenn Sie aus diesem Gottesdienst heute etwas mitnehmen können, etwas für sich selbst entdecken, dann hat Ihnen der Hl. Geist dabei geholfen.
Der Geist tut das bei jedem und jeder unter Ihnen aber unterschiedlich. Würde ich nachher vor der Kirchentür ein Interview mit Ihnen über die Inhalte dieser Predigt machen, würden Sie alle etwas anderes sagen! Denn Sie alle sind unterschiedlich: Sie haben unterschiedliche Lebenserfahrungen, sie lassen das Gehörte unterschiedlich auf sich wirken und deshalb wirkt der Geist auch unterschiedlich bei jedem Menschen.
Bei der Feier des Abendmahls wiederum geht es nicht um Worte, sondern um das Geheimnis der Anwesenheit Jesu und um die Verbindung mit ihm durch seinen Geist. Und dieser Geist macht, dass wir untereinander in einer besonderen Weise verbunden sind, die wir mit Worten eigentlich nicht beschreiben können.
Möglichkeiten, dem Geist Gottes Raum zu geben, ihn in uns wirken zu lassen und auf ihn zu hören, gibt es also viele! Da gibt es kein besser oder schlechter, sondern wichtig ist, dass jeder Mensch weiß, wie und wann und wo er sich für diesen Geist öffnen kann.
Die alten Mystiker haben viel aus ihren Meditatonserfahrungen mit dem Geist erzählt und geschrieben. Zwei Probleme nennen sie immer wieder:
Zum einen das Problem, dass wir es nicht „machen“ können, dass wir Gottes Geist in uns sprechen hören. Es ist immer ein Geschenk, es ist immer ein besonderer Moment, meist nur ein ganz kurzer, wenn sie diesen Geist hören und sich durch diesen Geist eins fühlen dürfen mit Gott: Die sog. unio mystica – die mystische Vereinigung mit Gott – war das Ziel solcher Meditation.
Zum anderen beschreiben sie das Problem der Unterscheidung der Geister – welcher Geist ist nun wirklich von Gott und was bilde ich mir nur ein und es ist in Wahrheit nur mein eigenes Wunschdenken?
Stellen Sie sich vor - nur zwei Menschen möchten für eine ganz bestimmte Sache den Ratschlag des Geistes Gottes haben. Sie beten und meditieren und kommen nun aber zu ganz gegensätzlichen Aussagen... Wer hat nun Recht? Wer hat den wahren Geist? Darf der eine den anderen kritisieren?
Paulus sagt im Anschluss an unseren Predigttext, dass zu diesem Umgang mit dem Heiligen Geist eine große religiöse Reife gehört. Die Korinther sind noch viel zu unerfahren und zu unreif für solche Geistgebete. Denn sie nutzen den Geist, um sich gegenseitig zu kritisieren, gegeneinander Recht zu haben und sich selbst als gläubiger als andere darzustellen. Aber das ist ein großes Missverständnis des Geistes, um nicht zu sagen ein Missbrauch des Geistes.
Dieses Problem taucht auch heute immer wieder auf: Manche Kirchen, manche Gemeinden sind der Überzeugung, sie hätten die Wahrheit des Geistes mehr als die anderen. Freikirchen sind leider häufig der Überzeugung, sie wären frömmer und die besseren Christen als die anderen „normalen“ Christen der großen Volkskirchen. Sie verweisen darauf, dass sie wirklich mit dem Hl. Geist taufen und die anderen nur mit Wasser taufen würden – aber das genau entspricht eben nicht der Intention des Paulus. Wenn ich den Geist nutze, um mich selbst besser darzustellen, dann hab ich Paulus nicht verstanden.
Zum Umgang mit dem Hl. Geist eine große Glaubens-Reife, damit er in mir selbst wirken und damit ich anerkenne, dass er auch in anderen Gläubigen wirkt.
Der Geist weht, wo er will, und er weht dann besonders, wenn er Raum bekommt. Das darf verschieden sein und es gut, wenn Christen und christliche Gemeinschaften und Kirchen da ihren eigenen Weg finden, auf welche Weise sie dem Geist Raum geben wollen. Dann können die Gläubigen wiederum ebenfalls die Erfahrungen mit dem Geist machen, die ihnen guttun und ihnen wichtig sind.
Vor kurzem haben wir, die Hauptamtlichen im Ulmer Winkel besprochen, dass wir versuchen wollen, uns noch mehr zu besonderen Veranstaltungen und Gottesdiensten gegenseitig einzuladen und unsere Mitglieder dafür zu begeistern, auch einmal in eine Nachbarkirche zu fahren, wenn dort etwas angeboten, was es vor Ort vielleicht nicht gibt. Es können nicht alle Gemeinden alles anbieten, z.B. wollen wir monatlich ein Taizé-Gebet anbieten, aber eben über den gesamten Ulmer Winkel verteilt.
Eine andere Weise, den Geist Gottes und das Wirken Gottes ganz konkret zu erleben, ist der Segen und das persönliche sich segnen lassen. Segen bedeutet ja, dass wir die heilende und stärkende Kraft Gottes an andere Menschen weitergeben und diese Kraft ist eng verbunden mit dem Geist Gottes.
An Neujahr haben wir in der Andacht eine persönliche Segnung angeboten, die gerne angenommen wurde. Und vor den großen Ferien werden wir wieder einen Segnungsgottesdienst anbieten, in dem man sich persönlich segnen lassen kann, vielleicht ganz bewusst auch als Reisesegen.
Eine ganz schöne, alte Art, dem Geist Gottes Raum zu geben, ist eine, die wir von den Älteren unter uns lernen können. Bei vielen alten Menschen ist noch ein ganz starkes Bewusstsein dafür da, dass wir jeden Tag unser Leben aus der Hand Gottes nehmen und am Abend wieder in seine Hand zurücklegen. Wahrscheinlich würden die wenigsten sagen, dass sie da in ganz enger Verbindung mit dem Geist Gottes leben. Aber tatsächlich tun sie es.
Es gibt ein Sprichwort, dass dies sehr schön ausdrückt. Leider verwenden wir es meist, wenn wir nicht zufrieden sind mit dem, was wir als Führung durch Gottes Geist in unserem Leben erkennen. Es lautet: Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Wenn wir es schaffen könnten, dieses Sprichwort dann zu sagen, wenn wir besonders zufrieden sind mit unserem Schicksal – das wäre gut!
Wie oft ist es doch so, dass wir irgendetwas ganz anders geplant hatten, doch der Plan ging schief, warum auch immer. Aber dafür ist dann etwas anderes, Unerwartetes, Neues und Gutes entstanden. Denn Gott hat weiter gedacht als wir und hat Möglichkeiten eröffnet, die wir selbst gar nicht gesehen hätten. Wenn wir dann sagen könnten: Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Dann würden wir diesem paulinischen Gedanken über den Geist gut entsprechen. Denn ein geistlicher Mensch erkennt, wo und wann überall der Geist Gottes Gutes in seinem Leben bewirkt und er ist dankbar dafür.
Der Geist Gottes wohnt in uns – seit unserer Taufe mit Wasser und Hl. Geist. Dieser Geist will in jedem Zimmer unseres Leibes wirken – im Herzen genauso wie im Hirn, in unserem Mund ebenso wie in unseren Ohren und natürlich auch in unseren Händen und Füßen.
Wer den Geist in sich wirken lässt, wird Manches anders denken und betrachten, Manches anders fühlen und empfinden, Manches anders reden und hören und tun.
Denn der Geist weht, wann und wo er will – in uns und ebenso auch in unseren Mitmenschen. Das geschieht im Gottesdienst, das geschieht unter Christen in ihrem alltäglichen Reden und Tun, das kann aber auch außerhalb geschehen.
Der Geist ist frei – Gott ist frei. Gott wirkt, wann und wo er will – durch seinen Geist. Pfingsten geschieht und es geschieht überall! Gott sei Dank!