Gedanken zu Pfingsten von Prädikantin Anita Kämmer-Frey

Predigt zu Apg 2 Pfingstsonntag 2020

Der Friede Gottes und die Liebe unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei allezeit mit euch

Liebe Gemeinde!

Predigttext ist heute das berühmte Pfingstereignis, wie wir es aus der Apostelgeschichte des Evangelisten Lukas kennen.

Ich lese aus der Apg 2 Gott segne unser Reden und Hören

I. Liebe Gemeinde,
ein gewaltiges Brausen und Feuerflammen, großes Erschrecken bei den Menschen, sicher auch Angst – doch dann ein Wunder: die Jünger sprechen in verschiedenen Sprachen zu den Menschen, ob das nun bildlich zu verstehen ist, oder ob nur die Botschaft bei den Menschen ankommt spielt keine Rolle. Der Geist wirkt, die Menschen verstehen einander, obwohl sie alle verschiedene Sprachen sprechen.
Die Reaktionen sind unterschiedlich, genauso wie heute, bei allem, was neu und unbekannt ist: auf der einen Seite Unsicherheit und Angst, Spott und Zweifel, bei den anderen Begeisterung und Glaube und Mut. 3000 Menschen ließen sich taufen damals – ein guter Anfang für die christliche Mission!
Der Geist Gottes kann unter den Menschen also einiges bewirken! Er kann begeistern, Mut machen, er wirkt beim Predigen und dabei, dass die Predigt auch verstanden wird – und – er überwindet dabei sogar Sprachbarrieren!
Das habe ich schon von Menschen gehört, die bei uns im Gottesdienst saßen und nichts verstanden haben, und doch ganz beseelt waren, weil sie den Geist darin gespürt haben. Und ebenso ist es mir schon so gegangen, wenn ich in einem anderen Land in einer Kirche saß.
Der Heilige Geist weht wo er will, heißt es. Wir können ihn nicht herzitieren oder befehlen, aber wir können ihn erhoffen und um ihn beten - auch heute noch:

Zum Beispiel erbitten wir den Hl. Geist zur Vorbereitung eines Gottesdienstes und dann bitten wir darum, dass er beim Halten der Predigt dafür sorgt, dass bei der Gemeinde auch gute und hilfreiche Gedanken ankommen!
Und – auch wenn der Geist wirken kann, ohne dass wir die Worte verstehen, sprechen und predigen wir doch lieber in einer Sprache, die die Anwesenden auch verstehen!

II. Um das Thema Sprache unter den Menschen ging es schon lange vor dem Pfingstwunder.
Zu Beginn der Menschheitsgeschichte: beim Turmbau zu Babel. Das Volk Gottes wollte einen Turm bauen, der bis in den Himmel reichen sollte, um sich selbst einen Namen zu machen.

Die Menschen werden übermütig, halten sich für allmächtig. Sie wollen sein wie Gott.
Sie möchten diesen Turm als Orientierung haben und als Wahrzeichen vor aller Welt.
Gott reagiert heftig auf diesen Plan, so wird es in der Urgeschichte des Alten Testaments dargestellt. Und er fährt hernieder und verwirrt ihre Sprache, so dass sie sich nicht mehr verstehen konnten und aufgeben mussten den Turm zu bauen und Gott sie verstreut über die ganze Erde…
Auf den ersten Blick wirkt Gott eifersüchtig. Die Menschen wollen sich selbst groß machen, sich selbst einen Namen machen. Sie vergessen Gottes Namen, seine Größe und ehren ihn nicht mehr in der Weise, wie es ihm zusteht und er es sich von seinen Geschöpfen, seinen Kindern wünscht.
Auf den zweiten Blick erkennt man noch mehr: Der Versuch, diesen Turm und die Stadt drum herum zu bauen, ist ein Versuch der Menschheit, ohne Gott zu leben. Es ist der Versuch, sich allein auf die eigene Kraft und Stärke zu verlassen und nicht mehr auf die Hilfe Gottes.
Doch Gott weiß, dass es nicht gut ist für die Menschen
auf Größe und Macht zu setzen, dass sie dadurch ihren Glauben und ihre Werte verlieren und auf Dauer die Verlierer sind
Deshalb verhindert er den Plan und raubt der Menschheit die Voraussetzung für ihr Vorhaben: ihre gemeinsame Sprache.

III. An Pfingsten nun, erhielten und erhalten zwar die Menschen nicht ihre gemeinsame Sprache zurück – doch Gott hilft ihnen durch seinen Hl. Geist , dass sie sich, trotz Sprachbarrieren gegenseitig verstehen können.
Der Hl. Geist ist eine Gabe Gottes, um besser Verständnis für einander entwickeln zu können.

Wer im Geiste Jesu denkt, redet und handelt, kann diesen Geist bei anderen Menschen erkennen.
Selbst wenn unser Gegenüber vielleicht ganz anders ist, als wir selbst, können wir sie oft spüren, diese Gemeinsamkeit. Der Hl. Geist verbindet.
Das durften wir auch hier in unserer Kirche und Gemeinde schon oft erleben, z.B wenn wir Gäste aus anderen christlichen Kirchen, insbesondere aus Papua-Neuguinea zu Gast hatten. Dieser Geist und der Glaube, den der Geist bewirkt, verbinden auf eine Weise, die man oft gar nicht erklären kann. In diesem Geist können Christen zusammenwirken und zusammenstehen - weltweit.
Natürlich heißt das aber nicht, dass wir von neuem Türme in den Himmel bauen sollen, zumindest nicht solche, bei denen es um Reichtum und Macht geht.
Im Gegenteil: Wir könnten, gerade im Zusammenhang mit der Corona Pandemie einmal genauer hinsehen, ob wir nicht schon wieder Türme gebaut haben, die Probleme bringen und gefährlich für uns werden könnten.

IV. Die globale Verflechtung unserer Wirtschaft kann etwas sehr nützliches sein – auch dass wir im Normalfall auf der ganzen Welt Urlaub machen könnten.
Begegnungen zwischen den Menschen aller Völker, kultureller Austausch über Staats- und Erdteilgrenzen hinweg und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Ländern sind etwas sehr bereicherndes für alle Seiten.
Aber müsste man es nicht einmal überdenken, dass wir bestimmte Arbeiten im Ausland erledigen lassen, weil dort die Standards und somit die Löhne für die Beschäftigten niedriger sind?
Ist es wirklich nicht vermittelbar, dass bestimmte Produkte auch etwas kosten dürfen, ja, kosten müssen, weil einfach viel Arbeit dahinter steckt, wie z.B. bei Kleidung, dass Ressourcen gespart werden müssen und nicht in Massen hergestellt wird, um die Hälfte davon wieder, ungetragen, auf den riesigen Müll- und Kleiderbergen an der Ortsrändern in vielen Ländern Asiens zu entsorgen?
Wann fangen wir an, einmal auf das Kerosin zu schauen, das an so vielen Produkten klebt, die wir selbstverständlich zu billigsten Preisen auf der Warentheke finden?
Könnte man diese Waren nicht in guter Qualität und zu fairen Preisen in der näheren Umgebung fertigen,
und dafür auf den ärmeren und meist wärmeren Kontinenten eine Industrie fördern, die auf Sonne angewiesen ist und dort z.B. Batterien für Wassersstoffantriebe herstellen?

Bei der Schutzkleidung jetzt in der Corona-Krise haben wir schmerzlich gemerkt, wie gefährlich es ist, wenn wir ausschließlich auf ausländische Produkte angewiesen sind.
Bei den Nahrungsmitteln sind wir schon dabei, umzudenken, mehr Regional zu kaufen und unsere eigene landwirtschaftliche Produktion mit hohen Umweltstangards wertzuschätzen.
Zusammenarbeit, Austausch in Kultur und gerne auch bei verschiedenen Produkten ja – selbstverständlich! Aber nicht zum Preis von Abhängigkeit und nicht, wenn damit Ausbeutung unterstützt wird oder unnötig weite Transportwege in Kauf genommen werden wo es auch anders möglich wäre!
Da werden Waren hin und her transportiert, weil der eine Arbeitsschritt der Verarbeitung hier, der andere dort billiger ist!
Diese Art von babylonischen Türmen müssen wir abbauen – die gegenwärtige Krise könnte uns zum Nachdenken bringen und vielleicht dabei helfen.
Dann hätte sie doch noch etwas Gutes bewirkt!!

V. Der Geist von Pfingsten brachte damals frischen Wind und die Jünger in Bewegung. Er schenkte ihnen eigene Glaubensüberzeugung und Überzeugungskraft und Mut und bei ihren Hörern weckte der Geist Verstehen, Begeisterung und Glauben. Die Menschen ließen sich taufen – die Kirche entstand!

Auch heute möchte der Hl. Geist uns in Bewegung bringen. Auch wir sollen Mut für Neues haben. Natürlich sind wir ein Stück dazu gezwungen durch Corona – aber wenn wir das Beste draus machen, dann reagieren wir nicht nur, sondern agieren: Wir handeln und nehmen selbst das Heft in die Hand!
Wenn ich auf unser Gemeindeleben der letzten zwei Monate schaue, ist dadurch schon sehr viel schönes Neues im Kleinen entstanden:
Da gibt es endlich eine Homepage, gegen die der Pfarrer sich immer gewehrt hat, weil er wusste, wieviel Arbeit sie in der Pflege macht, trotzdem ist er jetzt sehr glücklich darüber!
Da gab es statt der Gottesdienste der Karwoche und an Ostern plötzlich eine Offene Kirche mit meditativen Elementen wie dem Hl. Grab oder dem zentralen Osterbild.
Da entstand die Idee des Emmausgangs am Ostermontag zu den Senioren unserer Gemeinde, da wurde irgendwann der alte Friedhof hier hinter der Kirche als Gottesdienstplatz im Freien entdeckt. Wir haben Videogottesdienste aufgenommen und anderes mehr…
Wer weiß, wozu uns der Geist noch treibt in dieser besonderen Zeit!

Der Apostel Paulus schrieb einmal: „Prüfet alles, das Gute behaltet“ (1. Thess 5) und auch der Apostel Johannes schrieb „Prüft die Geister, ob sie von Gott sind“. (1. Joh 4)
Für uns, insbesondere im Kirchenvorstand, bedeutet das: Wir werden alles ganz genau reflektieren, was wir in diesen besonderen Wochen an Neuem ausprobiert haben – welcher Segen darauf lag, was sich bewährt hat und was vielleicht auch ein falscher Weg war.
Was z.B. macht digital Sinn und wo brauchen wir hingegen ganz bewusst persönliche, leibhaftige Nähe.

Auch für diese Überlegungen werden wir den Geist Gottes brauchen…
… der weht, bekanntlich, wo er will.
Und wir wollen nicht müde werden, daran zu glauben, darauf zu hoffen und dafür zu beten.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus

Amen

 

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