Predigt zu Nikolaus am 2. Advent 2020 von Pfr. Stefan Reichenbacher

Liebe Gemeinde!

In der Tradition der evangelischen Kirche hatte es der Nikolaus etwas schwerer: Martin Luther war zwar durchaus ein großer Verehrer der Heiligen als Beispielgeber für ein gottgefälliges Leben, aber mit dem Nikolaus, der den Kindern Geschenke bringt, wollte er sich nicht anfreunden. Er empfand, dass die Tradition, zu Nikolaus am 6. Dezember den Kindern Süßigkeiten und anderes zu schenken, den Wert des Weihnachtsfestes zu sehr an die Seite drängte.

Gegen das Schenken anzugehen, wagte Luther nicht, aber er polte den Zeitpunkt des Schenkens um und schaffte es, den Blick wieder mehr auf das eigentliche Geschenk dieser Zeit zu lenken: nämlich auf das Kind in der Krippe, das großartige Geschenk Gottes für alle Menschen zu Weihnachten. Denn Luther „erfand“ als Reaktion gegenüber der Schenktradition zu Nikolaus das Christkind, das an Weihnachten die Kinder beschenkt, was theologisch natürlich gut begründbar ist.

Die Süßigkeiten, die der Nikolaus bringt, wurden in evangelischen Gegenden vorverlegt in den November auf St. Martin. Dieser Heilige, der als Vorbild des Teilens verehrt wird, wurde z.B. im evangelischen Franken zum Pelzmartin, zum Belzermärtl, der den Kindern Süßigkeiten bringt und der in Teig gebacken am 11. November verspeist wird. In katholischen Gegenden wie bei uns in Schwaben hingegen hielt sich der Nikolaus.

Heutzutage feiern wir einfach alles: Wir feiern St. Martin, besinnen uns da besonders aufs Teilen, wir schenken zu Nikolaus Süßigkeiten und die großen Geschenke gibt´s zu Weihnachten vom Christkind. Und wir freuen uns alle darüber – Evangelische ebenso wie Katholische.

Heute wird in beiden großen Kirchen eher das Problem gesehen, dass der Nikolaus über Skan­dinavien und England zum Santa Claus wurde und schließlich zum Weihnachtsmann in den USA geworden ist, massiv von Coca Cola vermarktet. Und aus den USA kommt er wieder zurück zu uns und ich muss mich im Religionsunterricht mit der Frage der Kinder aus­einander­setzen: Gibt´s den Weihnachtsmann wirklich?

Angesichts dieser nicht nur für Kinder verwirrenden Vielfalt von schenkenden und teilenden Gestalten in der Vorweihnachtszeit und an Weihnachten beschäftigen wir uns im RU mit den dreien, die wirklich gelebt und gewirkt haben: mit Martin, mit Nikolaus und natürlich mit dem Kind in der Krippe – aber nicht mit dem Weihnachtsmann…

 

Heute soll es nun einmal etwas intensiver um Nikolaus gehen. Die biblischen Texte, die wir heute lesen, sind extra für den Nikolaustag von unserer Kirche ausgewählt worden – vorhin das Evangelium und nun als Predigttext ein Abschnitt aus dem Buch Jesaja, aus dem dritten Teil des Jesajabuchs.

611Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat.

Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; 2zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Rache unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden.

10Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.

So weit unser Predigttext – Gott segne unser Reden und Hören!

 

Gott ist ein Gott, der heilen will: Er will heilen durch Menschen, die gute Botschaft verkünden, die zerbrochene Herzen verbinden, die Gottes Gnade und Barmherzigkeit predigen und selbst weitergeben und auf die Gerechtigkeit Gottes vertrauen, der auch diejenigen rächen wird, denen Unrecht getan wurde.

Das alles sind Dinge, die wir im Leben des Heiligen Nikolaus verorten können, was wir von ihm zum einen historisch wissen und was zum anderen über ihn in zahlreichen Legenden erzählt wird.

 

Nikolaus wurde um 270 geboren und wuchs in Myra auf – einer Stadt, die man heute als Ruinenstadt Kale 220km westlich von Antalya in der Türkei besichtigen kann. Seine Eltern waren sehr wohlhabend und fromme Christen. Sein Onkel war Nikolaus der Ältere, Bischof von Myra. Er weihte den Neffen zum Priester. Bald danach fielen die Eltern einer Pestepidemie zum Opfer. Der junge Priester Nikolaus verteilte sein Erbe unter die Armen und stiftete ein Kloster, zu dessen Abt ihn der Onkel ernannte. Der Onkel starb und der junge Nikolaus pilgerte ins Heilige Land. Nach seiner Rückkehr wählten ihn die Christen von Myra zu ihrem Bischof – und hatten somit wieder einen Bischof Nikolaus!

Im Jahr 310 wurden unter dem römischen Kaiser Galerius letztmalig Christen in großem Umfang verfolgt. Bischof Nikolaus wurde eingekerkert und grausamen Foltern ausgesetzt. Doch er hielt stand, überlebte und konnte wieder als Bischof wirken, nachdem Kaiser Konstantin das Christentum anerkannte und sogar zur römischen Staatsreligion machte.

Auf dem für die Kirche so wichtigen 1. Konzil von Nicäa gehörte Nikolaus zu den Bischöfen, denen die Folterspuren deutlich anzusehen waren, weshalb das Konzil ihm und den anderen den Ehrennamen „Bekenner“ zusprach.

Nikolaus starb in Myra im Jahr 345 oder 351. Über seinem Grab wurde schon im 5. Jahrhundert eine Basilika errichtet, die bald zu einer wichtigen Pilgerstation wurde. Im 11. Jhd. wurde die Stadt durch Feinde zerstört und italienische Kaufleute brachten die Gebeine nach Bari. Sie errichteten die prächtige Kirche San Nicola, in der bis heute die Reliquien des Hl. Nikolaus verehrt werden. Erst durch diese Umbettung wurde Nikolaus in der westlichen Kirche endgültig bekannt und verehrt.

So weit also der historische Lebens- und Verehrungsweg des Nikolaus von Myra. Sicher kann man sagen, dass er auf seine Weise den heilenden und helfenden Gott verkündigt und durch viele gute Tagen verkörpert hat. Und durch seine Standhaftigkeit in der Folter hat er seinen Glauben in besondere Weise bewiesen.

 

Das Lied „Lasst uns froh und munter sein“ wurde dem Brauch des Süßigkeitenbringens durch Nikolaus gewidmet. In der letzten Strophe heißt es: Niklaus ist ein guter Mann, dem man nicht g´nug danken kann. Das ist natürlich auf seine Freigebigkeit gegenüber Kindern bezogen, aber historisch betrachtet darf man ihn wohl erst recht als „guten Mann“ bezeichnen.

 

Dass Nikolaus diese „Karriere“ bis in die Häuser am 6. Dezember machen konnte, liegt an den vielen Legenden, die sich um das Leben und Wirken des Nikolaus ranken. Ein paar davon will ich nennen:  

-   Er machte drei Jungen wieder lebendig, die von einem bösen Wirt getötet worden waren und er bestraft den Wirt

-   Er stillte einen Sturm und rettete Seeleute, die sich in ihrer Not an ihn gewandt hatten

-   Er rettete die Bewohner von Myra in einer Hungersnot, indem er ein Schiff im Hafen mit wertvollem Getreide, das für ein anderen Ort bestimmt war, entladen ließ – doch das Getreide auf dem Schiff wurde nicht weniger.

-   Und so gibt es noch viele weitere Legenden über sein Wirken und seine guten Taten.

-   Am bekanntesten ist vielleicht die Legende von der Rettung der drei Schwestern. Ihr Vater war zu arm, um ihnen bei einer Heirat eine Mitgift zu geben. Deshalb steckte er sie in ein Freudenhaus, damit sie sich die Mitgift selbst verdienen konnten. Nikolaus bekam davon Wind und sorgte durch drei goldene Kugeln, die er heimlich durchs Fenster ins Haus der Familie warf, für unerwarteten Reichtum und genügend Mitgift für die Schwestern.

    Wenn du ein Almosen gibst, sollst du es nicht ausposaunen vor den Leuten, haben wir im Evangelium gehört – Nikolaus schenkte heimlich, so wie er heute Nacht für die meisten Kinder unsichtbar gekommen ist, um die Stiefel vor der Haustür zu füllen…

    An die Legende von den drei geretteten Schwestern erinnert die Darstellung des Nikolaus in unserer Kirche. Nach dem Gottesdienst lade ich Sie ein, hier nach vorne in den Altarraum zu kommen und den Nikolaus mit den drei goldenen Kugeln zu entdecken!+

    Außer an den Kugeln ist er übrigens auch immer daran zu erkennen, dass er mit Bischofsmütze und einem Hirtenstab dargestellt wird.

 

Der Hl. Nikolaus – kaum ein anderer Heiliger hat es geschafft, so bekannt zu werden, sogar unter Menschen, die mit dem Christentum gar nicht viel am Hut haben.

Und so hat er auch heute noch eine Wirkung für die Welt, denn er steht für Menschenfreundlichkeit, für Hilfe in der Not und für einen unerschütterlichen Glauben.

Für uns evangelische Christen ist er daher ein gutes Vorbild dafür, wie wir mit anvertrautem Gut umgehen sollen und dass wir zu unserem Glauben stehen.

 

Amen.

 

 

 

 

Es gilt das gesprochene Wort!