Predigt zum 4. Advent von Pfr. Stefan Reichenbacher

4. Advent
Bildrechte The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202.

Liebe Gemeinde!

 

Vielleicht erinnern Sie sich an diese Ikone, die wir in der Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr eine Zeit lang hier vorne stehen hatten. Sie stammt von einer verstorbenen Pfarrerin, die diese Ikone wiederum aus Taizé mitgebracht hat.

 

Es ist eine berühmte Darstellung der drei im Hain Mamre. Sie besuchen Abraham und Sara.

Es ist nicht ganz klar, wer die drei sind. Einerseits sprechen sind es drei, andererseits sprechen sie in der 1. Person Singular von sich, also mit „ich“.

Christen haben diese Szene deshalb als Offenbarung der Trinität bereits zu alttestamen­tlicher Zeit gedeutet. Der Ikonenmaler Andrej Rubljow hat nun im Jahr 1411 auf einer Ikone diese Szene dargestellt. In der russischen Orthodoxie wurde diese Darstellung als so treffend und gelungen empfunden, dass sie auf einer Moskauer Synode 1551 als dogmatisch vorbildlich und verbindlich bezeichnet wurde.

Rubljow hat den drei Männern Flügel gemalt und sie damit als Engel gekennzeichnet. In der Bibel jedoch ist nur die Rede von drei Männern, die z.T. in der Wir-Form und dann wieder in der Ich-Form sprechen.

 

Für die Predigt heute soll es aber nun weniger um die Frage gehen, ob hier tatsächlich der dreieinige Gott auftritt als um das, was er dem Abraham und der Sara zu sagen hat.

 

Ich lese aus 1. Mose 18:

Und der Herr erschien dem Abraham im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde.

9Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10Da sprach er: Ich

will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!

13Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

 

So weit der Predigttext, Gott segne unser Reden und Hören!

 

Gott kommt zu Abraham und Sara, wenn der Tag am heißesten ist. Er kommt, als Abraham im Schatten unter seinem Baum sitzt und wahrscheinlich gerade Siesta macht und auch Sara und die Knechte und Mägde haben sich vielleicht auch ausruhen dürfen.

Der Hain Mamre befindet sich dort, wo heute die Stadt Hebron liegt und die Gräber von Abraham und Sara besucht werden können. Da kann es sogar in den Wintermonaten sehr warm werden, obwohl der Ort relativ hoch liegt, wenn auch nicht so hoch wie Bethlehem.

 

Stellen wir uns also einen richtig heißen Tag vor und einen schläfrigen Abraham. Doch dieser Abraham schaltet blitzschnell, als er plötzlich die drei vor sich wahrnimmt. Das wichtige Gesetz der Gastfreundschaft gebietet Abraham, die Fremden willkommen zu heißen und bis zu drei Tagen kostenlos zu bewirten und zu beherbergen. Aber es gebietet nicht, vor Fremden gleich auf die Knie zu fallen wie es Abraham hier tut.

Offenbar merkt Abraham, dass dies keine normalen Reisenden sind. Er spürt, dass sind besondere Wesen – Boten, Gesandte, ja sollte es Gott selbst sein? Abraham wundert sich im Verlauf des Gesprächs auch nicht, dass diese drei dann auf einmal im Singular sprechen.

Es scheint, dass Abraham instinktiv merkt: Ich bekomme Besuch von Gott. Und darauf reagiert er: Seine Schläfrigkeit ist wie weggeblasen und er lädt die Fremden ein, einen Bissen Brot zur Stärkung zu sich zu nehmen.

Im Predigttext ist weggelassen, dass Abraham sofort eine Kalb schlachten lässt und seine Frau beauftragt, frisches Brot zu backen und alle anweist, ein Festmahl für die Gäste auszurichten.

 

Wie reagieren wir, wenn Gott kommt? Merken wir es auch so schnell wie Abraham? Richten wir dann auch ein Festmahl? Sind wir überhaupt zuhause, wenn Gott kommt?

Mit bitterem Sarkasmus könnten wir dieses Jahr sagen: Nun ja, dank des Lockdowns sind wir zumindest mehr zuhause als sonst. Und Einkaufshektik können wir auch nur in den Lebens­­mittelläden erleben und da weiß man die Warenpalette irgendwann auch auswendig…

Aber natürlich geht es beim Besuch Gottes um mehr als nur das räumliche Zuhausesein. Es geht um das „Bei sich sein“, das Bereitsein für Gottes Kommen. Jedes Jahr vor Weihnachten üben wir es besonders ein – mit mehr oder weniger Erfolg.

 

Es ist schwierig, Dinge zu glauben und sich auf Dinge einzulassen, die unseren menschlichen Verstand übersteigen. Das geht sogar Abraham so. Zwar hat er das Essen wunderbar vorbereitet bzw. vorbereiten lassen, zwar bedient er die Gäste aufmerksam – ob er aber wirklich mit ihnen zusammen isst, wird nicht ganz klar.

Immerhin ist er den Gästen so nahe, dass sie ihn ansprechen können: Eine wahrhaft göttliche Botschaft haben sie für ihn, eine Botschaft, so unglaublich, dass Abraham erst einmal verstummt: Ein Kind soll Sara bekommen, den schon so lange ersehnten Sohn und Stammfolger!

 

Sara hat die Botschaft gehört – als Frau darf sie nicht mit den Männern bei Tisch sitzen und eigentlich auch nicht mit ihnen reden. Sie kann also nur hinter der Zeltwand lauschen, um mitzubekommen, was die Männer reden. Und sie bekommt es mit! Was hätte sie sich gefreut, wenn sie diese Botschaft 30 Jahre früher bekommen hätte! In einer Welt und einer Zeit, in der sich Frauen über die Anzahl ihrer Kinder, insbesondere ihrer Söhne definieren? Aber jetzt im Altar? Wieso sollte das jetzt klappen, wenn es Jahrzehnte zuvor nicht geklappt hat? Und so bleibt Sara nur ein bitteres Lachen, mehr ein resigniertes Aufseufzen.

Aber Gott wäre nicht Gott und die drei Männer wären nicht göttliche Gestalten, wenn sie diese Reaktion der Sara nicht bemerkt hätten. Und deshalb kommt der Hinweis: Ist denn irgendetwas unmöglich für Gott?

Da erkennt auch Sara, dass sie es hier mit Gott zu tun bekommt. Und sofort leugnet sie ihr ungläubiges, resigniertes Aufseufzen. Doch auch das lässt Gott nicht gelten.

 

Wir reagieren wir, wenn wir eine Botschaft hören, die völlig unglaublich scheint? Lehnen wir sie glatt ab oder fragen wir nach, wie das denn alles funktionieren soll?

Sara lässt sich nicht auf diese Botschaft ein – und wohl auch Abraham nicht. Der reagiert nicht mal!

Erst einmal ist das ganz menschlich, überrascht und fragend zu reagieren auf eine ganz und gar unglaubliche Botschaft. Auch Maria fragt den Engel, der ihr verkündet, dass sie durch den Geist Gottes ein Kind bekommen wird, zuerst: Wie soll das zugehen, da ich von keinem Manne weiß?

Der Unterschied zwischen Maria und Sara aber ist: Maria sagt nicht: Das ist unmöglich. Maria fragt, wie soll das zugehen? Sie zweifelt nicht daran, dass Gott unmögliche Dinge möglich machen kann, aber sie will es verstehen und sich vorstellen können. Das macht ihre Reaktion so besonders und deshalb wird sie uns zum Vorbild im Glauben, während Sara eher als die „Ungläubige“, als die, die über Gottes Verheißungen lacht, ins religiöse Gedächtnis der Menschheit eingegangen ist.

 

An dieser Stelle möchte ich eine Lanze brechen für Sara: Wer von uns hätte an Stelle von Sara anders reagiert? Welche Frau im Alter von vielleicht 60 oder gar 70 Jahren, die sich ihr Leben lang Kinder gewünscht und nicht bekommen hat, hätte nicht so ungläubig resigniert reagiert?

 

Und dennoch: Bei allem Verständnis für Sara will uns diese Erzählung doch hinführen auf die Dynamik, mit der Maria mit bei ihrer Begegnung mit dem Engel Gabriel und seiner Botschaft reagiert. Sich Gottes Willen und Plan nicht entgegenstellen, aber durchaus Gott fragen: Wie möchtest du es denn machen, wie soll es geschehen, was ist meine Rolle dabei, wenn du einen Willen durchsetzt?

 

Das setzt natürlich erst einmal ein gewisses Zutrauen zu Gott und seinen Möglichkeiten voraus.

Um dieses Zutrauen geht es. Gottvertrauen nennen wir es. In vielen biblischen Texten, in Predigten – ja im Glauben überhaupt geht es immer wieder darum: Gott etwas zutrauen! Ihm zutrauen, dass er heilsam in mein Leben eingreift – sicher nicht immer so wie ich es mir wünsche, nicht genau dann, wenn es mir recht wäre, nicht genau so wie ich es für gut empfände.

Das muss Sara lernen – und natürlich auch Abraham, der hier so sprachlos ist.

 

Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?

Nein, nichts ist unmöglich bei Gott.

Wenn wir später auf das Leben Jesu schauen, auf die vielen Wunder und Zeichen, die er tun kann, dann soll damit nichts anderes ausgedrückt werden als: Bei Gott ist alles möglich – Naturgesetze können außer Kraft gesetzt werden, aber auch Menschen können total umgewendet werden.

 

Gott kommt zu Besuch.

Zu Abraham und Sara – zu uns an Weihnachten.

Er bringt eine Frohe Botschaft – die wollen wir hören und glauben.

 

Amen.