Vertrauen auf die Kraft des Gebets

Predigt zu Jesaja 38, 9-20 von Prädikantin Jutta Nüßle

Liebe Gemeinde,

Irgendwo hab ich gelesen:
Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.

Jeder trägt sie mit sich. In sich.

Dieses Gefühl hatte wohl auch Hiskia, der König von Juda, als er das Gebet schrieb, dass heute die Grundlage für die Predigt ist. In seinen besten Jahren befällt ihn eine heimtückische Krankheit. Er weiß nicht, ob er sie überleben wird. Er geht durch die Hölle. Und da ruft er Gott an im Gebet...

Hören wir das Predigtwort aus dem Buch des Propheten Jesaja im 38. Kapitel:

Predigtwort aus der Bibel Jesaja 38, 9-20

Liebe Gemeinde,
vielleicht haben Sie es beim Hören des Predigtwortes auch gespürt:
Hiskia reagiert auf seine Krankheit mit Entsetzen. Er fühlt sich am Ende und irgendwie
ausgeliefert. Er möchte aber noch nicht sterben. Die damals verfügbare Medizin kann ihm offensichtlich nicht mehr helfen. Er ist mit seiner Gesamtsituation unzufrieden. Er möchte etwas unternehmen und seinem Schicksal entgegensetzen. Es fehlt Hiska aber anscheinend an der nötigen Fähigkeit, ohne anhaltende Beeinträchtigung eine schwierige Lebenssituation zu bestehen. Daher wird es höchste Zeit für ihn, etwas zu unternehmen. Er gibt nicht auf. Er versucht es mit einem Gebet. Er fleht seinen Gott an: Meine Augen sehen verlangend nach oben: „Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!“

Was aber kann ein Gebet ausrichten? Das fragt sich Hiskia und sicher fragen wir uns das auch manchmal. Genau wir wie wir heute ist Hiskia sich unsicher, ja vielleicht noch ungläubig. Zumindest zweifelt er daran, dass sich an seiner Lage  noch einmal etwas ändern könnte. Hiskia hinterfragt sein Gebet selbst:
„Doch was richte ich mit meinen Worten bei ihm aus?“

Fragen wir uns das nicht auch von Zeit zu Zeit? Was kann ich mit meinem Gebet bei Gott ausrichten? Hört er mich überhaupt?
Doch immer wieder machen Menschen – vielleicht auch Sie – die Erfahrung, dass Worte und Gebete sogar unglaublich viel ausrichten. Es gibt sogar einzelne Studien dazu, die das untersucht haben: Ein Gebet kann eine Kraft, eine Power entfalten, die tatsächlich überirdisch ist, die man sich kaum vorstellen, ja die einem manchmal sogar unheimlich werden kann. Sogar kleine Wunder können dabei manchmal geschehen. Man weiß dann manchmal nicht genau: War es jetzt das Gebet selbst oder lag es daran, dass man genau diese Sache in den Fokus genommen hat.

Und Hiskia hat genau das getan. Er, der König von Juda, hat nicht nur mit Worten im Gebet, sondern vorher schon mit radikalen Maßnahmen gehandelt. Angeregt und aufgefordert vom Propheten Jesaja, hat er den von ihm gehassten Götzenkult seines Vater Ahabs verboten und die Altäre er Götzen und ihre Standbilder vernichten lassen. Er ordnete an, dass ab sofort der wahre, unsichtbare Gott Israels und Judas anzubeten sei. Dem Gott, dem er vertraute. Der alleinige Ort dafür sollte der Tempel in Jerusalem sein, trotz aller Widerstände und Belagerungen durch die Assyrer.

Hiskia hatte schon die Erfahrung gemacht, dass der Gott Israels treu ist. Gott hilft auch in aussichtlosen Lagen, wenn man sich vor ihm beugt und schuldig bekennt. Hiskia sieht sich vor des Totenreichs Pforten und trotzdem wird er erhört. Gott heilt ihn und gibt ihm sein Leben zurück. Hiskia ist noch nicht „alt und lebenssatt“, er ist noch nicht bereit zu sterben. Sein Eintritt in das Totenreich wird verschoben, so könnte man es beschreiben. Er bekommt sozusagen ein Bonusleben geschenkt.

Was bedeutet das für uns mehr als 2300 Jahre später?

Ein paar Beispiele, über die es sich lohnt nachzudenken:

*Krankheit und Tod sind kein unabwendbares Schicksal. Der einzig wahre und unsichtbare Gott kann eingreifen. Eine schier aussichtlose Lage kann sich zum Guten wenden, mit viel Gottvertrauen und mit Hilfe des Gebets.
* Gott ist kein gnadenloses Prinzip. Er oder sie ist eine Person, die mit sich reden lässt.

* Gott kann gefasste Pläne umstoßen, wie sonst ließe sich Gottes Schwur nach der Sintflut erklären, der versprochen hat, die Menschen  bis zum Ende ihrer Tage nicht mehr zu vernichten.

* Wir sind nicht Hiskia, aber der Gott Hiskias ist heute noch derselbe, er ist weder alt noch modern, sondern ewig.

So wie Hiskia ruft: „In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren, zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen...“ erleben auch wir Situationen in unserem Leben, die für uns - will man es krass sagen - die Hölle sind. Unsere eigenen kleinen Höllen im Alltag. Vielleicht handelt es sich dabei nicht einmal um eine schwere Krankheit, vielleicht ist es nur ein Streit innerhalb der Familie. Oder ein Lebenstraum, der nicht wahr werden darf. Oder eine Beziehung, die nicht gesund ist, die nur noch quält. Vielleicht auch eine Lebenssituation, die völlig unbefriedigend ist. Solch eine kleine Hölle kennen wir alle.

In der Vorstellung der Menschen des Alten Testaments war diese Hölle ein dunkler unwirklicher Schattenort, in dem die Toten vor sich hindämmern. Ein Ort, der gottverlassener nicht sein könnte, es ist der Ort der Abwesenheit Gottes. Und genau das ist doch die kleine Hölle, die wir in uns tragen. Wenn das Leben an uns vorbeizieht. Wenn alles sinnlos wirkt. Wenn wir fern vom Leben, fern von Gott sind.

Doch bei König Hiskia schlägt die Stimmung plötzlich um. Plötzlich spricht er nichtmehr von der Hölle, sondern von der Zuwendung Gottes: „Er hat´s getan! Gott hat es getan!“ Gott hat ihm das Leben wieder geschenkt, weil sein Gott ein Gott des Lebens ist. Seine Probleme haben sich nicht in Luft aufgelöst so wie sich unsere Probleme auch nicht so schnell in Luft auflösen. Aber er hält am Gott des Lebens fest. Er merkt, Gott ist da in meiner kleinen Hölle und darauf dürfen auch wir vertrauen, Gott ist da.

Nicht die Genesung bringt die entscheidende Veränderung. Hiskia wird nicht von heute auf morgen gesund, aber Hiskia hält an diesem Gott des Lebens fest und genau dadurch ergibt sich eine Veränderung. Veränderung passiert nicht, wenn sich meine kleine Hölle, mein Problem in Luft auflöst. Veränderung geschieht, wenn ich dem begegne, der das Leben ist. Wenn ich mit festem Vertrauen an dem festhalte, der sagt: „Ich bin die Auferstehung uns das Leben. Wer an mich glaubt wird leben.“ Dann erfahre ich den Gott, der am Ostermorgen seine ganze Lebendigkeit zeigt. Dann kann ich leben, trotz der kleinen Höllen in meinem Alltag. An ihn kann ich mich klammern, ganz egal was kommt. Ganz egal wie sehr mich dieses Leben und die Welt kaputt machen will – da ist unser Gott des Lebens, der auferstandene Christus. Und er trägt uns durch alle kleinen Höllen unseres Lebens, Sie und mich. Er will uns heil machen. Darauf dürfen wir vertrauen.

Amen.