"Was die Taufe sei" - Taufe heute, Taufe bei Paulus und Taufe bei Martin Luther

 

Predigt zu Röm 6,3-8 am 6. Sonntag nach Trinitatis
von Pfarrer Stefan Reichenbacher

 

Liebe Gemeinde!

Einmal im Jahr leisten sich die Pfarrer und Pfarrerinnen des Dekanatsbezirks Neu-Ulm Studientage. Da fahren wir für eineinhalb Tage weg und beschäftigen uns mit einem theologischen Thema.
Dieses Jahr werden wir uns im Herbst zu den Kasualien arbeiten, insbesondere zur Taufe. Aber wir werden uns auch zur Bestattung, zur Konfirmation und zur Trauung und auch zu neueren Kasualien Gedanken machen. Der Schulanfangsgottesdienst, die Feier von Jubiläen oder auch der Eintritt in den Ruhestand werden in manchen Gemeinden besonders gefeiert.

Heute ist Tauferinnerungssonntag. Und tatsächlich gibt es auch bei der Taufe gewisse Veränderungen und Verschiebungen in den Vorstellungen unserer Gemeindeglieder und damit müssen sich die Verantwortlichen natürlich auseinandersetzen.

Zuerst einmal ist es schön, dass nachwievor gerne getauft wird und die Taufe vielen Christen sehr wichtig ist!
Für junge Familien ist die Taufe sehr häufig Ausdruck ihrer Dankbarkeit gegenüber Gott, dass sie ein ge­sun­des Kind geschenkt bekommen haben.

Dazu kommt, dass die Taufe auch ein schöner Anlass für ein kleines Familienfest darstellt.
Schließlich ist auch allgemein im Bewusstsein, dass wir in die Gemeinde hinein taufen, dass also ein getauftes Kind Mitglied der Kirche Jesu Christi wird.

Schwieriger wird es mit den theologischen Inhalten der Taufe:
Nach biblischer Vorstellung geht es hier um Leben und Tod!
Gott schenkt dem Täufling ein neues Leben, das der Tod nicht mehr enden kann. Denn unser natürliches Leben steht nun mal im Zeichen des Todes, der jeden und jede zu jeder Zeit ereilen kann. Oft genug müssen wir das miterleben und miterleiden. Das neue Leben, das Gott in der Taufe schenkt, führt dagegen zum ewigen Leben. Genaugenommen leben wir als Getaufte also zwei Leben – ein sichtbares, das irgendwann der Tod enden wird, und ein unsichtbares, das uns in den Himmel bringt.

Die Epistel, also der Abschnitt aus den Briefen des Neuen Testaments, der dem Tauferinnerungs­sonntag zugeordnet ist und in diesem Jahr gepredigt wird, steht heute steht im Römerbrief im 6. Kapitel:

Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. (Römer 6,3-8)

Dieser Tauftext von Paulus gehört zu den schwerst­verständlichsten des Neuen Testaments. Aber er ist wichtig.

Martin Luther hat ihn im Hinterkopf gehabt, als er im Kleinen Katechismus auf die Frage, was denn die Wassertaufe bedeute, schrieb:

Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.

Für Martin Luther und die Menschen seiner Zeit war dieser Ernst der Taufe viel mehr im Bewusstsein als uns heute. Damals lebten die Menschen in großer Angst vor dem Fegefeuer und den Höllenstrafen. Die damalige Kirche bediente sich auch dieser Angst und verdiente gut daran.
Martin Luther setzte seine ganze Verkündigung daran, den Menschen diese Angst zu nehmen. Und er schaffte das auch – und 500 Jahre nach Martin Luther haben wir uns daran gewöhnt, keine Angst mehr vor der Hölle zu haben. Das ist gut so.
Aber es lauert eine Gefahr. Die Gefahr, die Taufe und die Gnade Gottes nicht mehr ernst zu nehmen. Es ist nicht egal, ob ich getauft bin oder nicht, es geht hier um Leben und Tod – spätestens in der Ewigkeit.

Auch jetzt und hier spielt die Taufe eine Rolle. Und darauf möchte Martin Luther hinaus, wenn er vom täglichen Ersäufen des alten Adams und dem täglichen Auferstehen des Neuen Menschen spricht – ganz im Sinne des Apostels Paulus.

Er will damit sagen:
Als ganz normale Menschen haben wir täglich mit unseren Fehlern, mit unserer Schuld, mit unserer Schadenfreude, mit unserem Neid, mit unseren bösen Gedanken zu kämpfen – die Bibel nennt das „Sündhaftigkeit“. Wir haben täglich mit unserer Sündhaftigkeit zu kämpfen.

Aber wir können gegen sie bestehen, wenn wir uns täglich daran erinnern, dass wir unserer eigenen Sündhaftigkeit nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern dass Jesus Christus für diese Sündhaftigkeit des Menschen am Kreuz gestorben ist. Wenn wir an diesen Jesus glauben, dann sind wir sozusagen mit Christus dieser Sündhaftigkeit eigentlich auch schon gestorben. Und so wie Jesus auferstanden ist, so werden auch wir einmal in der Ewigkeit auferstehen. Und bereits jetzt vollzieht sich dieses Geschehen schon in unserem Leben – täglich.

Täglich haben wir mit unserer Sündhaftigkeit zu kämpfen, täglich aber auch dürfen wir uns daran erinnern, dass wir mit Christus an unserer Seite diese Sündhaftigkeit schon besiegt haben. Wir sind eigentlich frei von Sünde. Und das kann und soll uns helfen, uns in entscheidenden Situationen eben doch anders zu verhalten als Christen:
Unrecht doch einmal auszuhalten, auf ein böses Widerwort doch zu verzichten, neidische Gedanken doch nicht hochkommen zu lassen, Rachegedanken zu begraben – ja, letztlich eben uns Jesus als Vorbild im Umgang mit seinen Mitmenschen zu nehmen und dabei immer wieder kleine und bescheidene Erfolge zu haben.

So lange wir leben, ist das jedoch ein Hin und Her und ein Auf und Ab. Es gelingt mal besser, mal schlechter.
Manchmal erlebe ich an älteren Menschen, dass sie so etwas wie Alterweisheit und Güte ausstrahlen. Da habe ich dann immer das Gefühl, da ist der alte Adam doch schon ganz gründlich ersäuft. Und Christus ist in solchen Menschen lebendig und spricht mich durch ihr Verhalten und ihre Worte an.

Die Taufe kann und soll uns jeden Tag an dieses Verabschieden des alten Menschen in uns und an dieses Annehmen und Zeigen des neuen Menschen durch uns erinnern.
Das Wasser der Taufe entnehmen wir aus der Taufkanne: Aus dieser Kanne könnten wir auch Wasser zum Trinken schütten. Damit wird bei der Taufkanne deutlich, dass aus dieser Kanne Lebenswasser gegossen wird – im doppelten Sinn:
Wasser zum Trinken, weil wir es wie fast alle Lebewesen auf dieser Erde zum Überleben brauchen, und Wasser für die Ewigkeit, um durch den Tod einmal hindurchgehen zu können.

Das alles aber nun in einem Taufgespräch zu erzählen und bei einer Kindertaufe ins Bewusstsein zu bringen – das ist fast nicht möglich.
Und so werden wir uns auf den Studientagen wohl u.a. damit beschäftigten müssen, wie wir diese sicher wichtigen und richtigen theologischen Gedanken zur Taufe eines Paulus und eines Martin Luthers in heutiger Zeit unters Volk bringen können.

Sie und euch möchten wir heute aber einladen, sich nicht nur mit dem Verstand mit der Taufe zu beschäftigen, sondern das Getauft sein zu fühlen und sich den Segen Gottes ganz konkret zusprechen zu lassen:
Sie können sich das Kreuzzeichen mit dem Taufwasser auf die Stirn zeichnen lassen und Sie können sich persönlich segnen lassen.

Manche Dinge muss man einfach erleben und versuchen zu spüren – das kann dann viel tiefer gehen, als das Ganze mit dem Verstand zu verstehen.

Amen.